Aivee MP Naben - eine Übersicht
Es kommt immer wieder mal vor, dass neue Anbieter für Radkomponenten am Markt erscheinen, ohne deshalb komplett neu im Geschäft zu sein. Aivee gehört schon seit sehr vielen Jahren in den Bereich von CNC-Bauteilen, aber hauptsächlich für Luft- und Raumfahrttechnik. Anscheinend fahren die Jungs aber auch gern Rad, weshalb 2015 plötzlich auch Naben im Programm standen. Ganz unbekannt ist genau diese Abfolge von Ereignissen natürlich nicht - Hope aus England hat diese Entwicklung in eben dieser Reihenfolge auch schon durch, nur eben ein paar Jahrzehnte früher. Acros, als deutsches Beispiel, entwickelte sich aus dem Schoß des Wälzlagerherstellers HWG. Es braucht manchmal eben nur eine Schnittstelle und die treibende Kraft, schon ploppt ein neuer Markenname im Portfolio auf.
Es kann nur erfreuen, dass die Industrie gerade im Bereich der Radkomponenten nach Europa "zurück kehrt". Natürlich tut sie das nicht wirklich - der Hauptanteil aller produzierten Teile rund ums Fahrrad werden auch weiterhin in Asien gefertigt. Aber der Markt wächst und nachdrängende Hersteller mit mehr regionaler Verwurzelung können wieder Mut und Fuß fassen - nicht zu letzt Dank Hersteller wie eben Hope, die gezeigt haben, dass es geht.

Soviel zur Vorrede.
Ich will aber gar keine Stammbaumforschung betreiben, sondern explizit auf ein paar Naben eingehen und deren Unterschiede erklären.
Ganz genau genommen sind das die MP Naben von Aivee. Es gibt MP2, MP4 und MP6.
Augenscheinlichster Hauptunterschied - der Preis. Nach UVP Staffelung löhnt man für ein Set MP2 ganze 200€, für MP4 landet man schon bei 360€ und am Ende der Fahnenstange steht die MP6 mit satten 400€ für den Satz. Das Ende der Fahnenstange bei Aivee bildet diese Nabe aber noch nicht, es gibt ja noch die Edition One / Edition One SL, aber auf diese komme ich später mal zu sprechen.

Wenn man auf der aktuellen Seite von Aivee surft (Stand 29.11.2019), wird man leider nicht all zu viele Informationen über die einzelnen Naben bekommen. Direkte Unterschiede erschließen sich einem nicht, da entweder die Texte repetetiv sind oder gar nicht erst vorhanden.
Es muss ja aber einen Grund geben, warum eine Preissteigerung von 100% zwischen den MP2 und den MP6 liegt.
Gespannt? Dann lauschet -
Wie nicht anders zu erwarten, stellt die MP2 die einfachste Ausführung dar. Aber selbst hier bekommt man eigentlich alles, was man braucht. Die Achsstandards reichen von (Front) 5x100 QR, 12x100 über 15x100 bis zu 15x110 und sogar 15x110 Torque Cap für die RockShox Fraktion. Am HR sieht es ähnlich aus - 5x135, 12x142 und 12x148 mit Shi11 oder SRAM XD Freilaufkörper decken vermutlich 90% aller Bedürfnisse ab. Und das nicht nur in schlichten, plumpigen 32H, auch 28H und 24H sind wählbar. Einziger "Wermutstropfen" - diese Nabe gibt es nur in schwarz, "nur" mit 30 Rastpunkten und "nur" mit Stahllagern. (dazu gleich mehr)
Ein weiteres tolles Feature ist, dass man sowohl 6Loch als auch Centerlock als Bremsstandard wählen kann. Vorsicht: Die Centerlocknaben gibt es (bisher) nicht in Boost-Standard, diese sind vor allem für den Road/Gravelbereich angedacht und werden deshalb bei Aivee selbst auch unter der Rubrik "Road" geführt, während alle 6Loch Naben sich unter der Rubrik "MTB" finden lassen.
Die MP2 weicht bei ihrem Nabengehäuse kaum von der MP4 und der MP6 ab, wenn es um den Lochkreisdurchmesser und den Flanschabstand geht. Was die allgemeine Form anbelangt, so ist sie ein bisschen schlichter, da nicht ganz so "gefällig" gerundet wie die teureren Varianten, aber das ist nur ein rein ästhetischer Aspekt, auf die Stabilität daraus gebauter Laufräder hat das keinen Einfluss.
Der Freilaufkörper besitzt 3 Sperrklinken, welche simultan in den 30 Rastpunkten (oder auch 30 PoE = Points of Engagement), die im Gehäuse eingefräst sind, greifen. Für genügend Kraftübertragung ist also gesorgt und mit einem Einrastwinkel von 12° schneidet die MP2 auch keinesfalls schlecht ab. (Zum Vergleich: Eine Standard DT350/240 besitzt eine Ratchetscheibe mit 18 Zähnen, also einem Einrastwinkel von 20°) Im Freilaufkörper befinden sich 2 direkt aufeinander liegende Stahlkugellager mit eher kleinem Kugeldurchmesser - was wohl auch der Grund dafür ist, warum gleich 2 Lager im Bereich der Sperrklinken (Bereich mit der größten Kraftübertragung/Verwindung) verbaut wurden. Die Dichtung des Sperrklinkenfreilaufs besteht aus einem Gummiring, welcher mit dem Freilaufkörper ins Nabengehäuse gepresst wird. Das ist grundsolide, aber bestimmt nicht unüberwindlich für Dreck und Wasser.
Die MP2 erscheint auf Grund ihrer Fertigung in Frankreich, dem gebotenen Spektrum an Auswahl von Achs-, Brems- und Lochzahlstandards sowohl ihrer soliden Bauweise ihrem UVP mehr als gerecht werden zu können, erst recht wenn man sich im direkten Vergleich den UVP zum Beispiel einer DT350 daher nimmt.
Das war nun in aller Ausführlichkeit die MP2. Schön und gut, aber was machen die anderen Naben denn nun aber so viel besser?

Die MP4, wie im Bild gezeigt, besitzt 2 augenscheinliche Veränderungen: Es gibt sie in einer größeren Farbauswahl (schwarz, blau, rot, orange) und die Anzahl der Sperrklinken im Freilaufkörper hat sich um 100% auf 6 Stück erhöht. Von diesen 6 Klinken greifen jeweils 2 Dreierpärchen simultan in den 20 Rastpunkten, die im Nabenkörper eingefräst sind, weshalb man nun auf 40 PoE kommt, der Einrastwinkel verkleinert sich also auf 9°. Wer es bunter und antrittsschneller mag, der fühlt sich hier bereits besser aufgehoben. Ein weiteres Detail ist, dass sich hier auch die Auswahl an Freilaufkörper erhöht. Neben dem Standard von Shi11 und SRAM XD kommt hier noch XDR und Campagnolo hinzu. Ausserdem können die Lager der Nabe von Stahl auf Ceramik von Haus aus 'geupgradet' werden. An der Dichtung, der größer der Lager und der Achse hat sich bei dieser Nabe allerdings im direkten Vergleich zur MP2 nichts getan. Der Aufpreis findet sich also vor allem in den erhöhten Details, wie Farbauswahl und mehr Freilaufstandards - und natürlich dem klinkenreicheren Freilauf.
Last but not least tritt noch die MP6 auf den Plan. Hier tut sich doch ein bisschen was. Neben den schon genannten Details der MP4, also mehr Farbauswahl und mehr Freilaufstandards, kommt hier nun auch eine verbesserte Freilaufdichtung (Kunststoffring fest im Nabenkörper verbaut auf welchem ein Metallkragen vom Freilaufkörper aufliegt - hier sollte wirklich nicht mehr viel Eindringen können), sowie größere Lager zum Einsatz.
Dank Konifizierung der Achse bekommt man unter den Lagern platz, damit diese größere Kugeln beherbergen können. Diese Naben sind für langanhaltenden Allwetter-Einsatz auf allen Wegen und Nicht-Wegen sehr gut geeignet, schirmen sie doch den wichtigsten Part der Nabe, also den Ort der Kraftübertragung, nicht nur besser und zuverlässiger gegen Schmutz ab, sie wird auch dank größerer Lager eine deutlich längere, wartungsfreie Lebensdauer selbst bei schwerstem Einsatz erreichen können.
Natürlich sollte ich nicht vergessen, dass sich auch hier die Anzahl der PoE noch mal erhöht - auf grandiose 60, womit ein Einrastwinkel von 6° realisiert wird.

Fazit:
Wer nach einem echten Schnäppchen sucht, kann mit der MP2 mehr als glücklich werden. Die Rasterung ist ausreichend, die Konzeption der Nabe sehr stabil und langlebig und die Dichtung ist jetzt auch nicht so schlecht, nur im direkten Vergleich zur MP6 eben deutlich schwächer. Hier sollte man eben ab und an mal die Wartung der Naben nicht vergessen.
Wer darüber hinaus mehr Farbe, mehr Rastpunkte, mehr Dichtung und mehr Geld ins Spiel bringen möchte, der hat einen großen Pool vor sich, aus welchem sich Wahlweise die MP4 oder MP6 herausfischen lassen. Der Preissprung von MP2 zu den beiden genannten ist aber schon recht deutlich zu merken, weshalb jeder mit sich selbst ins Gericht gehen muss, ob man "nur" bis zur MP4 springt, oder gleich die volle Länge in Angriff nimmt und mit der MP6 einen Bund für die Ewigkeit schließen möchte.
le knusper
Hexe